„Einer muss der Chef sein“
Zur Arbeit laufen zu können, sei der größte Luxus, findet Ernst Samer vom Ringhotel Siegfriedbrunnen. „Wer jeden morgen eine Stunde im Stau steht, tut mir leid.“ Mit Grausen denkt der gelernte Koch an das Jahr zurück, als er zwischen Odenwald und Heidelberg pendelte, um dort an der Hotelfachschule seinen Meister- und Betriebswirtabschluss zu machen. Den hat der 29-Jährige längst in der Tasche und nun einen 5-Minuten-Arbeitsweg: Mit seiner Frau Anya (30), den Söhnen Ernst (2) und Johannes (7 Monate), seinen Eltern Anne (54) und Ernst Samer Senior (62) sowie Oma Waltraud (76) wohnt er in einem Bauernhof nahe des Hotels und steht kurz davor, den elterlichen Betrieb zu übernehmen. Der existiert schon seit 103 Jahren und damit das so bleibt, gehen die Samers den anstehenden Generationswechsel in Ruhe an. „Wie es nicht geht, sehe ich überall“, sagt Ernst. „Wir lassen uns Zeit, in den nächsten fünf, sechs Jahren wird es soweit sein.“ Dann wird er der neue Chef über das 59-Zimmer-Haus und die rund 50 Mitarbeiter. Seine Schwester Johanna (25), Restaurantfachfrau und Bäckerin, wird ihn dabei unterstützen. „Einer muss der Chef sein“, stellt Vater Ernst klar.
Wer im Ringhotel Siegfriedbrunnen übernachtet, bekommt Urlaub auf dem Land, viel Natur und regionale Küche. 365 Tage im Jahr ist das Haus geöffnet, zu den Stammkunden zählen vor allem Familien, Ferien- und Tagungsgäste. Auch eine bio-zertifizierte Rinderzucht mit 200 Charolaisund Limousin-Rindern betreiben die Samers. Das Fleisch wird in der Hotelküche verarbeitet. In der stehen Vater und Sohn gemeinsam mit 14 Mitarbeitern am Herd. „Mein Sohn führt das Kommando und ich helfe“, sagt Ernst Samer Senior. Klappt das denn reibungslos? „Komplett“, sagt der Vater. Sohn Ernst räumt dagegen ein: „Nur mit Harmonie kann man nicht leben, sonst will man vielleicht nichts.“ Und das er etwas will, ist klar: „Ich bin mit Herz und Seele dabei“, betont der Junior. „Und da das künftig meins ist, stecke ich meine ganze Arbeit und Leistung in das Hotel.“ Gelernt hat Ernst Samer im renommierten 5-Sterne-Hotel Colombi in Freiburg. Danach folgte das Suvretta House im schweizerischen St. Moritz. „Die Ausbildung war hart, da war Biss gefragt“, resümiert er. Was will er nun ändern, wenn er in die elterlichen Fußstapfen tritt? „Wenn die Eltern jahrelang Erfolg hatten, sollte man nicht reinkommen und alles anders machen“, sagt Ernst. An vielen Qualitätsstandards will er auch künftig festhalten. Gleichwohl lässt er den Spruch „Das haben wir früher anders gemacht“ nicht gelten und beweist dabei Fingerspitzengefühl: „Ich zeige einfach, wie ich es gern hätte“, so der 29-Jährige. Die Mitarbeiter zu motivieren, bedeutet für ihn zugleich ihnen „Respekt, Zufriedenheit und Sicherheit“ zu vermitteln. Ernst und seine Frau Anya haben sich beim Studium an der
Hotelfachschule in Heidelberg kennengelernt. Sie stammt aus Hameln, hat ihre Ausbildung bei Steigenberger Hotels gemacht. Derzeit noch im Mutterschutz, wird sie ab April
2017 an die Rezeption des Ringhotels Siegfriedbrunnen zurückkehren. Der frische Wind, den der junge Ernst seit rund sechs Jahren ins Hotel bringt, ist vielerorts spürbar. Im Restaurant hat er Front Cooking und ein täglich wechselndes
Spezialitäten-Buffet zum Mittag- und Abendessen eingeführt. „30 Sorten Salat an der Salatbar, ein veganes und ein vegetarisches Gericht, Fisch, etwas aus dem Ofen“, beschreibt. Ernst stolz das Buffet-Konzept. „Alle Saucen sind
glutenfrei, wir verwenden keine E-Stoffe, keine Zusatzstoffe.“ Das kommt bei den Gästen gut an. Dabei hat der Junior nicht nur ein Händchen fürs Essen: „Ich baue auch gern“, sagt er. Zuletzt hat er der Rezeption ein neues Gesicht verpasst, die Brandmeldeanlage auf den neuesten Stand gebracht und im ganzen Haus freies W-Lan installiert. „Spätestens als ein 80-jähriger Gast mit einem Tablet an der Rezeption stand, wusste ich, jetzt müssen wir Gas geben“, sagt Ernst. „Ohne W-Lan geht's nicht mehr.“ Ein anderes Projekt: die Hotelflure. Die Ölgemälde, die dort hingen, sind fast alle durch großformatige Natur- und Landschaftsfotos aus dem Odenwald ersetzt.
„Da musste ich schon manchmal kämpfen“, sagt Ernst augenzwinkernd. „Beim Umbau der Rezeption hieß es auch erst, die alte Eichendecke bleibt drin und jetzt ist sie draußen.“ Doch damit nicht genug: Als nächstes steht die Erweiterung des Wellnessbereichs an. Ein 150 Quadratmeter
großer Anbau an das Hallenbad soll Platz für 25 Liegen, eine Salzgrotte und eine Kelosauna schaffen, verrät Ernst. Ein Refugium für die Gäste, wenn das Wetter mal nicht so mitspielt. Doch bei allem Dauereinsatz: „Abschalten kann ich gut“, sagt Ernst. „Sobald ich in den eigenen vier Wänden bin,
zählt nur die Familie.“ Schwimmen und Laufen täten ihr übriges, damit er den Kopf frei bekomme und für neue Inspiration sorgten Zeitschriften wie Der Feinschmecker, Beef
oder Essen & Trinken. Ernst: „Was letztlich umgesetzt wird, entscheidet aber der Familienrat.“ Und was wäre gewesen,
wenn er das Hotel nicht hätte übernehmen wollen? „Dann hätten wir wohl verkauft und ich wäre vielleicht Polizist geworden.“